Die Rückkehr des Kommandanten

In Nicaragua steht der Sandinistenchef Ortega an den Pforten der Macht

Managua. 16 Jahre nach seiner Abwahl steht Nicaraguas früherer
Revolutionsführer Daniel Ortega erneut vor den Toren der Macht. Dem
linksgerichteten Sandinistenchef könnte bei den Parlaments- und
Präsidentenwahlen Nicaraguas am 5. November der Einzug in den
Präsidentenpalast des mittelamerikanischen Landes gelingen.

Nur der Beiname "Comandante", den seine Anhänger ihm geben, erinnert noch
an den früheren Guerillakämpfer. Die Uniform hat Ortega durch ein weißes
Hemd ersetzt. Die schwarzrote Fahne, Symbol des sandinistischen
Befreiungskampfes, ist pink-bunten Wahlplakaten gewichen. Vergessen auch
die früheren Attacken gegen Kapitalismus und katholische Kirche. Im
Wahlkampf zitiert Ortega ausgiebig aus der Bibel und ruft zur Vergebung
gegenüber seinen Gegnern auf: "Denn sie wissen nicht, welchen Schaden sie
ihrem eigenen Herzen zufügen."

Die Chancen stehen für Ortega bei seinem dritten Versuch zur Rückkehr ins
Präsidentenamt so gut wie nie. Denn Ortega verspricht den knapp 3,7
Millionen wahlberechtigten Nicaraguanern, was den konservativen Regierungen
seit 1990 nicht gelungen ist: das Ende der Armut. Drei Viertel der
Nicaraguaner haben höchstens zwei US-Dollar am Tag zum Leben. Nahezu eine
Million Kinder gehen nicht zur Schule. Die Privatisierung des
Gesundheitswesens in den 90er Jahren hat den Arztbesuch für die meisten
unerschwinglich gemacht. Und nach der Privatisierung der Stromversorgung
sind Ausfälle Normalzustand.

"Die Leute erinnern sich an das Nicaragua der 80er Jahre unter Ortega, sagt
die Politik-Analystin Georgina Munoz: "In der Ära der Revolution haben die
Leute alles gehabt: Wohnung, Bildung, Gesundheit, Strom, Wasser".

1979 hatte Ortega das erste Mal die Macht in Nicaragua erlangt, mit dem
Sieg der von ihm angeführten sandinistischen Revolution. Die Sandinisten
starteten eine Alphabetisierungskampagne, bauten Krankenhäuser und Schulen.
Doch zehn Jahre später war das Land am Boden. Im Bürgerkrieg gegen die
Contras, eine von den USA finanzierte Gegenguerilla, waren 20.000 Menschen
getötet worden. Hinzu kamen Inflation und Korruptionsskandale, die Ortega
schließlich 1990 das Amt kosteten.

Ortega scheint aus den Konflikten der 80er Jahre gelernt zu haben. In den
Werbespots des Jahres 2006 präsentiert er sich als "Kandidat der Versöhnung
aller Nicaraguaner". Seine Sandinisten unterstützten im Parlament ein
absolutes Abtreibungsverbot, ein Hauptanliegen der konservativen Christen.

Aussöhnung signalisiert Ortega auch mit den Contras. Als Vizepräsident
seiner Wahlallianz hat er den konservativen Abgeordneten Jaime Morales
nominiert, einen früheren hohen Contrakommandanten.

Dass Ortega diesmal das Comeback gelingen könnte, liegt auch an der
Spaltung des rechten Lagers in Nicaragua, das drei der insgesamt fünf
Kandidaten für die Präsidentschaft stellt. Der konservative Kandidat Jose
Rizo gilt als Strohmann des wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten
Arnoldo Aleman. Der von den USA offen favorisierte frühere Finanzminister
Eduardo Montealegre wird mit einem Korruptionsskandal im Bankwesen in
Zusammenhang gebracht. Der dritte rechte Kandidat, der Ex-Contraführer Eden
Pastora, gilt als chancenlos.

Ausschlaggebend könnte der wachsende Teil der Linken sein, der sich
enttäuscht von Ortegas opportunistischem Schmusekurs abgewendet hat. Sie
sammeln sich unter der sozialdemokratisch orientierten Wahlallianz des
Kandidaten Edmundo Jarquin. Seine Anhänger bezeichnen Ortega als
"Caudillo", als selbstherrlichen Führer. Denn in einem ist sich der
"Comandante" treu geblieben: Wichtige Entscheidungen trifft er immer noch
ohne Befragung der Parteibasis. (12858/2.11.2006)

epd kne rks