Der Machtwechsel von Fidel zu Raúl Castro macht sich in Kubas Medien bemerkbar. Mit ungewöhnlicher Offenheit und Schärfe kritisierten Kubas Intellektuelle vergangene Woche das Staatsfernsehen der kommunistisch regierten Karibikinsel. Dessen gleichzeitige Ankündigung eines neuen Auslands-TV erscheint darum als hilfloser Versuch, den Zuschauerschwund zu stoppen. Denn die Krise von Kubas Medien geht tiefer.
Dieses Jahr noch will Kubas Radio- und TV-Gesellschaft ICRT einen neuen nationalen Fernsehkanal in Betrieb nehmen. Er soll zusätzlich zu den bestehenden vier nationalen Kanälen 24 Stunden täglich ausländische Filme zeigen. Umgerechnet 10 Millionen Euro will die ICRT investieren.
Die Ankündigung des neuen Auslands-TV erfolgte zum Auftakt des Kongresses des Verbandes der Schriftsteller und Künstler Kubas (UNEAC) vergangenen Mittwoch in Havanna. Doch anders als bei früheren Kongressen von Kubas staatlich organisierten Intellektuellen gab es diesmal keinen Jubel, sondern harsche Kritik am Staatsfernsehen.
Große Beachtung fand die von Kubas Medien wieder gegebene Rede von Alfredo Guevara. Der Gründer des kubanischen Filminstituts bezeichnete Kubas Staatsfernsehen als „verdummend" und warf dessen Programmdirektoren vor, sich mit ihrer „ungewöhnlichen Ignoranz" ungewollt zu den „Verbündeten des Kapitalismus" zu machen.
Damit spielte der angesehene Cineast auf ein offenes Geheimnis an: Bei vielen Kubanern ist das US-Fernsehen populärer als dasjenige Kubas. Selbst saftige Bußgelder schrecken sie nicht davor ab, die dafür notwendigen, illegalen Satellitenschüsseln oder Kabelanschlüsse heimlich zu installieren. Denn das einheimische Fernsehen ist eine Zumutung. Fade Jubelmeldungen über den Sozialismus wechseln sich mit belehrenden Politsendungen ab. Und technisch und künstlerisch sind Kubas bisherige vier TV-Kanäle in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts stehen geblieben.
Mit einem neuen Auslands-TV ist es darum nicht getan, geht es nach Kubas Intellektuellen. Vielmehr müsse das eigene Fernsehen mit attraktiveren eigenen Produktionen Gegensteuer geben, hieß es auf dem Kongress.
Ähnliches gilt laut den kubanischen Intellektuellen auch für das Internet und andere neue Kommunikationsmedien. Statt sich wie bisher abzuschotten, müsse Kuba sich diese „zu eigen machen".
„Wir wohnen einem Krieg bei, verursacht von den neuen Kommunikationstechnologien, (...) in dem der Sozialismus viele Schlachten verloren hat", hieß es in einem der vielen Papiere des Kongresses, die von Kubas Staatsmedien in ungewöhnlicher Offenheit wiedergegeben wurden.
Auch der im Februar zum neuen Staatspräsidenten gewählte Raúl Castro wohnte dem Kongress bei – und lobte die Kritikfreudigkeit der Intellektuellen. „Das war ein großartiger Kongress", sagte Castro zu dessen Abschluss am vergangenen Wochenende. Damit blieb der jüngere Castrobruder seinem früheren Versprechen treu, die Probleme Kubas offen zu diskutieren.
Doch die Offenheit hat in Kuba nach wie vor Grenzen, wie das Beispiel von Yoani Sánchez, Kubas international bekanntester Bloggerin zeigt. Das digitale Tagebuch der 32-jährigen Kubanerin über den Alltag auf der Karibikinsel erzielt mittlerweile eine Million Zugriffe monatlich, weltweit. Auf der Insel selbst ist Sánchez' Webseite aber seit Ende März für den Zugriff gesperrt.
ICRT = Instituto Cubano de Radio y Televisión
UNEAC = Unión de Escritores y Artistas de Cuba