Havanna / Miami. Von Havanna aus kontrollieren Kubas Staatschef Fidel Castro und sein Bruder Raúl ein globales Firmenimperium. Dessen Ableger in der Schweiz, in Liechtenstein, in London und mindestens 13 weiteren Ländern haben vor allem ein Ziel: Sie füllen die persönliche Kasse des „Commandante en Jefe“, wie ehemalige hohe Funktionäre aus Kuba übereinstimmend berichten.
Selten nur pflegt Fidel Castro Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen zu machen. Doch im vergangenen November war es dann so weit. Er sei immer noch der „einfache und bescheidene Mensch“, der er als Guerillakämpfer vor 47 Jahren war, erklärte Kubas Staatschef am Fernsehen, um dann zu bekennen, dass man ihm soeben sein Gehalt erhöht habe: 750 auf 900 kubanische Pesos.
Vielleicht sind die umgerechnet 36 Dollar monatlich tatsächlich der Lohn, mit dem sich der dienstälteste Revolutionsführer der Welt für seine vielen Ämter in Kubas Staatsspitze bescheidet. Sicher ist, dass er ohnehin nicht darauf angewiesen ist. Denn Castro ist nicht nur Staatspräsident, Regierungschef, Erster Sekretär der Kommunistischen Partei und Chefkommandant der Streitkräfte Kubas. Castro ist vor allem ein höchst erfolgreicher Unternehmer, wie frühere Castrofunktionäre in Havanna und in Miami beteuern.
Bis zu 100 Prozent in die "Reserve des Kommandanten"
Demnach kontrolliert Castro direkt oder über seine Günstlinge bis zu 300 Unternehmen in Kuba und im Ausland. Diese erzielen zusammen mindestens 2 Milliarden US-Dollar Umsatz. Von dem Gewinn gehen je nach Geschäftszweig zwischen 15 und 100 Prozent direkt in die „Reserve des Kommandanten“ wie die Spezialkassen unter alleiniger Kontrolle Castros innerhalb Kubas Führungsriege genannt werden.
Maria C. Werlau, Tochter eines früheren Guerilla-Mitkämpfers Castros, hat nun erstmals die weltweit verstreuten Berichte dessertierter Politfunktionäre und Geheimdienstagenten aus Havanna zusammengestellt. „Daraus ergibt sich die stimmige Geschichte eines riesigen internationalen Konglomerats, unterstützt von raffinierten Finanztransaktionen in den globalen Kapitalmärkten“, sagt die Ökonomin, die heute in den USA lebt. Die „Castro AG“, so Werlau, „genießt einen seltenen Vorteil: die freie Ausbeutung der Ressourcen einer ganzen Nation, und das alles ohne jegliche Kontrolle oder Besteuerung.“
Beispielhaft für die Castro AG ist das Geschäftsmodell der Cubalse, einer Holdinggesellschaft, die formell dem Staatsrat unterstellt ist, und faktisch von Castro kontrolliert wird. Cubalse arbeitet in Kuba unter anderem als Personalvermittlerin. Die Gesellschaft stellt ausländischen Hotelketten auf Veradero und anderen kubanischen Tourismusparadiesen einheimisches Personal zur Verfügung und kassiert dafür Löhne zu europäischen Ansätzen. Den Angestellten selbst werden die in Kuba üblichen Löhne von etwa 15 Dollar im Monat bezahlt. Die Differenz, geschätzte 30 Millionen Dollar im Jahr, geht am Staatshaushalt vorbei direkt in die „Reserve des Kommandanten.“ Zur Verwaltung des Überschusses betreibt Cubalse eine eigene Schweizer Niederlassung, die „Financiera de Cubalse“ in Zürich.
Ähnlich sind die Geschäftsmodelle weiterer Firmen, die dank ihrer vom Staat garantierten Monopolstellung saftige Gewinne einfahren können. Cubatécnica vermittelt weltweit Zehntausende von kubanischen Ärzten, Ingenieuren, Professoren und anderen Spezialisten, die sie mit einem Dollar täglich entlöhnt und sich mit bis zu 2000 Dollar monatlich honorieren lässt. Medicuba vermarktet global die Impfstoffe und andere pharmazeutische Produkte Kubas. Die Cubanacán-Gruppe kontrolliert die schätzungsweise 600 Millionen Dollar Investitionen, die ausländische Tourismusketten in Joint-Ventures mit dem kubanischen Staat eingebracht haben.
Hinzu kommt ein selbst für Kubaspezialisten inzwischen unüberschaubares Firmengeflecht aus Hotels, Tourismusunternehmen, Devisenläden, Immobiliengesellschaften, Transportunternehmen und Reedereien. Sie sind in den beiden Holdinggesellschaften CIMEX und GAESA zusammengefassst, mit jeweils einer Milliarde US-Dollar geschätzten Jahresumsatz.
Die Kontrolle bleibt in der Familie
Die oberste Kontrolle der Geschäfte bleibt dabei in der Familie. Die CIMEX mit ihren vermutlich bis zu 270 Tochtergesellschaften wird offiziell vom Staatsrat und faktisch von Fidel Castro beaufsichtigt. Die GAESA hingegen mit ihren mindestens 14 Tochtergesellschaften steht faktisch unter Kontrolle des Verteidigungsministers Raúl Castro, dem jüngeren Bruder und designierten Nachfolger Fidels. Offiziell geführt wird die GAESA von Luis Alberto Rodriguez, dem Schwiegersohn Raúl Castros.
Gemeinsam ist all den von der Castro AG kontrollierten Firmen eines: Von ihren Deviseneinnahmen müssen sie einen bestimmten Prozentsatz an den „Commandante en Jefe“ abführen, wie der heute in Chile lehrende Exilkubaner und Buchautor Eugenio Yáñez berichtet. Für die Personalvermittlerin Cubatécnica etwa ist ein Prozentsatz von mindestens 15 Prozent bekannt. Die Tourismusgruppe Cubanacán muss 40 Prozent ihrer Dollareinnahmen an Fidel Castro abliefern. Andere Firmen müssen laut Gerüchten bis zu 85 Prozent abzweigen.
Verwaltet wird die so gefüllte „Reserve des Kommandanten“ von der Banco Financiero Internacional (BFI). Die ebenfalls zur CIMEX-Holding gehörende Bank wurde 1984 gegründet, arbeitet unabhängig vom staatlichen Bankensystem Kubas, und publiziert keine Bilanzen. Die BFI verfolgt mit von Strohmännern geführten Niederlassungen in London, Montreal und anderen Ländern laut Insidern einen Zweck: Deviseneinnahmen aus kubanischen Staatsunternehmen auf ausländischen Konten zu platzieren. Die Auslandskonten werden indirekt von Fidel Castro kontrolliert, entweder über Familienangehörige oder über weitere Strohmänner, wie der Kuba-Analyst Yáñez berichtet.
Für was Castro sein Vermögen verwendet, weiß niemand mit Sicherheit zu sagen. Die Spekulationen innerhalb der kubanischen Opposition reichen von der Finanzierung von Guerillakriegen in Lateinamerika bis hin zum Schlösserkauf in Österreich für Castros Sohn – freilich alles ohne Beweise.
Belegt ist hingegen, dass Castro sein Vermögen auch dazu einsetzt, seinen kargen Lohn als Staatschef aufzubessern. So leiht er das von den kubanischen Staatsbetrieben abgezweigte Geld wiederum dem kubanischen Staat aus, zu 10 Prozent Zins, um Devisenengpässe beim Import von Öl oder Getreide zu überbrücken. Die Fachzeitschrift „Cuba Monthly Economic Report“ berichtet von mehreren Darlehen; das höchste darunter hat 30 Millionen Dollar betragen – aus der Kasse des Mannes, der 36 Dollar im Monat verdient.