Mexiko-City. Die knappste Präsidentenwahl in der Geschichte Mexikos
ist nach mehr als zwei Monaten Stimmenauszählung, Demonstrationen und
Straßenblockaden endlich entschieden. Der Konservative Felipe Calderon ist
der nächste Präsident Mexikos, entschied das Wahlgericht des Landes am
Dienstag (Ortszeit). Mit einem hauchdünnen Vorsprung von 234.000 Stimmen
wird der 43-jährige Harvard-Jurist am 1. Dezember in den Präsidentenpalast
einziehen.
Ein schwierigerer Beginn für Calderons sechsjährige Präsidentschaft ist
kaum vorstellbar. Das politische Klima in Mexiko ist vergiftet. Die knapp
unterlegene Linke mit dem Spitzenkandidaten Andres Manuel Lopez Obrador
spricht von "Wahlbetrug" und hat die nicht anfechtbare Entscheidung des
mexikanischen Wahlgerichts zugunsten Calderons als "Staatsstreich"
bezeichnet. Seit Wochen blockieren die Anhänger Lopez Obradors die Straßen
von Mexiko-Stadt mit Zeltlagern und folgen damit dem Aufruf ihres
unterlegenen Kandidaten zum "zivilen Widerstand".
Er sehe in Calderon das "nette Gesicht der neoliberalen Rechten", mit der
die herrschende Elite Mexikos ihre Vormacht und die Ungleichheit
aufrechterhalten wolle, formulierte der Sprecher von Lopez Obradors "Partei
der demokratischen Revolution" (PRD). Tatsächlich hat Calderon nie einen
Hehl daraus gemacht, den freien Handel fördern zu wollen. Den Reichen
Mexikos versprach er geringere Steuern, den Bürgern und Arbeitern des
Landes mehr Arbeitsplätze. Für die USA ist der Konservative von der "Partei
der Nationalen Aktion" (PAN) ohnehin der Wunschkandidat.
Doch Calderon steht nicht nur für die Fortsetzung der bisherigen
konservativen Regierung des scheidenden Präsidenten Vicente Fox. Calderons
Anhänger hoffen, dass der neue Präsident dort Erfolg hat, wo der bisherige
gescheitert ist. Denn die Bilanz von Fox nach sechs Jahren Regierung ist
mager. Trotz steigender Ölpreise gilt in Mexiko, dem fünftgrößten
Erdölproduzenten der Welt, fast die Hälfte aller Einwohner als arm.
Deshalb hat auch der Konservative Calderon den Kampf gegen die Armut auf
seine Fahnen geschrieben und setzt auf Marktwirtschaft, um die Zahl der
Arbeitsplätze deutlich zu erhöhen. Unglaubwürdig ist Calderons Bekenntnis
zur sozialen Verantwortung nicht. Der neue Präsident Mexikos stammt als
jüngstes von fünf Kindern selbst aus bescheidenen Verhältnissen.
Das unselige Erbe der 70-jährigen Vorherrschaft der "Partei der
Institutionalisierten Revolution" (PRI), nämlich Filz, Vetternwirtschaft
und Korruption, dürfte die größte Herausforderung für Calderon werden. Er
könnte mehr Chancen haben, Mexikos verkrustete politische und
wirtschaftliche Strukturen zu reformieren.
Calderon weiß, dass er Bündnisse schließen muss, um seine Ziele zu
erreichen. Er selbst ist nur von gut einem Drittel aller Wahlberechtigten
gewählt worden. Und seine Partei PAN ist zwar stärkste Kraft im Kongress,
aber weit von der absoluten Mehrheit entfernt. Ein erster Test für
Calderons Kompromissbereitschaft steht bald an. Eine Gruppe von
Parlamentariern und Intellektuellen hat angeregt, das Wahlrecht zu
reformieren, um Auseinandersetzungen wie bei der diesjährigen
Präsidentenwahl künftig zu vermeiden. Auf deren Wunschliste steht die
Einführung einer Wahlreform und die Verkürzung der bisher sechsjährigen
Amtszeit des Präsidenten. (10317/5.9.2006)