San Jose (epd). 19 Monate Probezeit hatte er, und nun wird der interimistische Staatschef Raúl Castro wohl definitiv die Macht in Kuba übernehmen. Am kommenden Sonntag (24.2.) kürt Kubas Parlament den Nachfolger des krankheitshalber abtretenden Fidel Castro (81). Nichts liegt näher als seinen 76-jährigen Bruder, bisher offiziell Verteidigungsminister, zum Präsidenten des Staatsrates und damit der kommunistischen Antilleninsel zu wählen.
Seit Fidel Castros Erkrankung im Juli 2006 bewies Raúl Castro, was ihm viele nicht zugetraut hätten: Er hielt Staat, Partei und Armee in Kuba zusammen. Und dabei ist er seinem Stil treu geblieben. Während Fidel stundenlange Reden liebte, scheut der farblose Raúl weiterhin öffentliche Auftritte. Wenn er aber etwas sagt, lässt das aufhorchen. So etwa im Juli 2007, als der Armeegeneral unverblümt Schlendrian und Mangelwirtschaft in Kubas sozialistischer Planwirtschaft kritisierte. Seither weht ein Hauch von Reformlüftchen durch Kuba. Missstände dürfen neuerdings kritisiert werden, zumindest von denen, die sich zugleich als überzeugte Sozialisten zu erkennen geben.
Aus Sicht der regierenden Kommunisten ist dem Pragmatiker Raúl Castro damit ein Meisterstück gelungen: Er dämpft den Missmut vieler gewöhnlicher Kubaner über die schlechte Versorgungslage, indem er sie auf baldige wirtschaftliche Besserung hoffen lässt. Zugleich macht er klar, dass das Machtmonopol der Partei nicht zur Debatte steht. Die Repression und die Zahl der politischen Häftlinge haben nur geringfügig nachgelassen.
Während Fidel impulsiv und bisweilen cholerisch regierte, wirkt Raul als stiller, konstanter und weitsichtiger Organisator. Das hilft ihm auch, Kuba aus der außenpolitischen Isolation herauszuführen. Die Beziehungen Kubas zu Venezuelas Präsident und Fidel-Intimus Hugo Chavez haben bereits erkennbar an Intensität verloren. Stattdessen pflegt Raúl Castro die Beziehungen mit China sowie mit den beiden wirtschaftlichen Großmächten Lateinamerikas, Brasilien und Mexiko. Zugleich signalisierte er gegenüber den USA wiederholt Gesprächsbereitschaft. Damit könnte Raúl Castro das gelingen, was sein großer Bruder nie vermochte (und wohl nie wirklich wollte), nämlich das jahrzehntealte Handelsembargo Washingtons gegenüber Havanna zu beenden.
Schon in jungen Jahren hatte sich Raúl wie sein Bruder am Kampf gegen die Batista-Diktatur beteiligt. Er gehörte zum Kern der Revolutionäre in der Sierra Maestra, die an Neujahr 1959 siegreich in Havanna einzogen. Trotz seiner Unauffälligkeit war Raul Castro stets die wichtigste Stütze Fidel Castros im Machtgefüge. Laut dem US-amerikanischen Kubaspezialist und ehemaligen Geheimdienstagenten Brian Latell wirkte er stets als der "ergänzende Gegensatz" seines älteren Bruders.
Als Verteidigungsminister sicherte er stets in bedingungsloser Loyalität die Gefolgschaft der Armee und schreckte auch nicht vor drakonischen Säuberungen zurück. Auch die Versorgung Kubas mit lebensnotwendigen US-Dollars war schon immer Raúl Castros Domäne. Über ein verzweigtes Netz von Holding-Gesellschaften und mit Hilfe hoher Offiziere soll er die Devisenwirtschaft Kubas kontrollieren, den Tourismus eingeschlossen.